“Alles auf eine Karte” – eine Rezension Freitag 03 August, 2012
Eine Rezension zum Buch “Alles auf eine Karte” von MC Rene. Geschrieben von Alexandre Goebel (textagee.de) aus der RDH Redaktion .
Klingt nach einer Spitzenidee in Krisenzeiten: Wohnung auflösen, Job aufgeben, Hab und Gut verschenken, alle Sicherheiten hinter sich lassen, sich stattdessen eine “Schwarze Mamba”, aka Bahncard 100 besorgen, das Wohnzimmer mit der DB-Lounge tauschen, von Bahnhof zu Bahnhof, von Couch zu Couch, von Auftritt zu Auftritt hangeln und sich als Comedy-Neuling probieren.
HipHoper René El Khazraje, seinen Fans besser bekannt als MC Rene, hat genau das getan. Wieso weshalb und warum beschreibt er in seiner Lebensabschnittsbiografie: “Alles auf eine Karte.”
Gefrustet und unerfüllt vom Ausflug ins bürgerliche Leben, beschließt der einst erfolgreiche Deutschrapper MC Rene – für seine Fans bis heute der “Freestylegott” – sein Leben neu auszurichten. Nach einem alltäglichen Mittagspausenschnitzel im Imbiss um die Ecke, fällt es ihm wie die Panade vom Fleisch. Er kündigt den drögen Job als Call-Center Agent, in dem er aus aussprachetechnischen Gründen jahrelang als Stefan Eckert firmierte, und wagt einen Neustart als Stand-Up-Wandercomedian. Fortan sind die Schienenschwellen der DB, die Bretter, die die Welt bedeuten .
Gewappnet mit einem – zu Beginn unrezensierten – Sieben-Minutenprogramm, der schwarzen Plastikkarte, die uneingeschränkte Reisefreiheit gewährt, einem kommunikativen Koffer, der auf einen osteuropäischen Namen hört, einem Kopf voller Ideen, einem Urlaubsgefühl im Bauch, sowie der Sehnsucht nach der Bühne, begibt sich MC Rene auf eine Reise zurück zu sich selbst. Von dieser Suche, seinen Bahn- und Bühnenabenteuern handelt das autobiografische Werk, das wie ein klassisches Tagebuch im modernen Blogformat daher kommt. Auf rund 260 Seiten berichtet MC Rene von einem Jahr voller auf-, und absteigenden Gleisen, verwirrenden Weichenstellungen, die ihm nichtsdestotrotz selten an der eingeschlagenen Spurrichtung zweifeln ließen. Glaubhaft offen und ehrlich kehrt sich der Beinahe-Aussteiger, der sich selbst als “schüchtern und ruhelos” bezeichnet, nach außen, offenbart einige tiefere Einblicke in sein Seelenleben und rückt mit der ein oder anderen persönlichen Anekdote raus. Auch wenn hier und da einige Fragen, insbesondere zu seiner Vergangenheit, offen bleiben, der Zwischendenzeilenleser erhält einige detaillierte Einblicke in das Leben des Zugnomaden, der als “Master of Comedian” kein bisschen stiller und leiser geworden ist, nur eben auf anderen Wegen.
Wer bei der Lektüre aufgrund der sprachgewaltigen Vergangenheit MC Rene’s ein Feuerwerk der Schreibkunst erwartet hatte, wird enttäuscht sein. Zwar haut der gefeierte “Master of Ceremony” aus den Neunzigern den ein oder anderen Spruch raus, garniert die Kapitel sporadisch mit Freestylyeeinlagen, spart aber insgesamt am Wortwitz und beschränkt sich im Wesentlichen auf eine chronologische, recht nüchterne Wiedergabe der Ereignisse, – wohlgemerkt mit persönlicher Note.
MC Rene’s Lebensabschnittsbiografie verschafft uns einen Einblick in die Wandelbarkeit eines Menschen, der nie aufhört nach neuen Zielen zu suchen. Ganz nebenbei liefert das Buch Bahnfetischisten interessante, teils amüsante Innenansichten und räumt mit einigen Klischees auf.
Raus aus dem grauen Alltag – wieder rein in eine bewegendere Welt. Vom ruhelosen, gefeierten Hip-Hop-Star ins statische Call-Center-Büro, und als Kombi aus Raper und Komödiant, ausschließlich zugreisend, wieder zurück auf die Bühne. Dass das geht, beweist MC Rene. Er ist ausgestiegen um in ein neues Leben einzusteigen und die Reise ist noch nicht zu Ende. MC verabschiedet sich aktuell so: “Man sieht sich im Zug!” In dem Sinne: alles einsteigen, Türen schließen selbsttätig, nehmen Sie das Buch zur Hand, wir wünschen Ihnen eine angenehme Reise(lektüre) .
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